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Kategorie: Verein
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1897, also vor 120 Jahren, wurde der Heimatverein Wassenberg als „Verschönerungsverein“ gegründet. Anliegen des neu gegründeten Vereins war es, die Attraktivität Wassenbergs noch zu steigern.

Wie sah Wassenberg zu dieser Zeit aus?

Der Wassenberger Notar Wilhelm Weisweiler, der auch Mitbegründer des neuen Vereins war, veröffentlichte in einer Beilage der Heinsberger Volkszeitung einen Text über Wassenberg, seine Sehenswürdigkeiten und seine Geschichte. Nicht alles, was Weisweiler beschreibt, gibt es heute noch, und auch die Sprache hat sich verändert, aber das Schöne und Besondere unserer Heimatstadt kommt auch für uns heute noch gut zum Ausdruck.

Peter Hermanns hat den Text, den wir im Folgenden abdrucken, durch zeitgenössische Bilder aus dem Archiv des Heimatvereins anschaulich gemacht.

Sepp Becker


Wassenberg? ..... „Wo ist denn das irgend in der Welt?“ hörte ich so manchmal, und höre ich auch jetzt noch den Leser fragen. Dem Geschichtskundigen begegnete es vielleicht beim Studium des Mittelalters. Der Kranke erinnert sich beim Lesen vielleicht des weit bekannten Arztes des Ortes. Der Industrielle vernahm von der Neugründung einer steuerfreien Seidenfabrik daselbst. Der Wandersmann aber, der nach den Naturschönheiten im eignen Vaterlande sich umschaut, kann von der reizenden und Umgebung des am westlichen Eck. des deutschen Reiches hoch über dem stillen Roerthal gelegenen Städtchens Genaueres erzählen.

Die R o e r  durchschneidet in beständigem Zickzack von ihren Quellen auf den kahlen Eifelhöhen Kalterherbergs bis zu ihrer Mündung in die Maas bei der holländischen Provinzialstadt Roermond meist Wiesenthäler.  Sie hat durch ihr starkes Gefälle, in Folge der nicht unbedeutenden, schnell hintereinander zukommenden Nebenflüsse, und Mangels jeglicher Regulierung einen ziemlich willkürlichen Lauf. Die tollsten Streiche vollführt  sie, sich kräftig und gesund fühlend, einige Stunden vor ihrer Mündung.

Das eigentliche Flußbett ist hier eng, ohne jedes Ufer, und zeigt Sommers oft nur ein dünnes Wässerlein zwischen dem den Fußboden deckenden Kieselgerölle, kaum hinreichend, Hecht und Aal am Leben zu erhalten. Doch, so unschuldig das Wässerlein auch dreinschaut, nasser Herbst, schneereicher Winter und auftauender Lenz machen es zum reißenden Strom, der keine Ufer mehr kennt und Dämmen und Deichen trotzt. Der wilde Gesell ergießt sich über Wiesen hinaus über Straße und Dorf. In plötzlicher Schnelle ist der Schwall da, ehe die Anwohner sich`s versehen, und nimmt mit, was ihm in den Weg kommt: Holz und Heu, Steg und Brücke. Der Verkehr von hüben und drüben ist dann nur mittels Karren möglich, die bis zur Nabe durch das über den Weg strömende, einen weiten See bildende Wasser müssen. So ist`s vor Jahrhunderten gewesen.

„Quod si nonnunquam major turgidus aestu
„Praecipitet latices, et raptans obvia secum
„Agricolis damnosa erat,“

(Manchmal stürzt der Fluß in heftigem Schwalle seine Gewässer mit Gewalt abwärts, alles mit sich fortreißend, zum großen Schaden der Anwohner.)

singt im Anfang des vorigen Jahrhunderts der Heinsberger Canonicus Peter von Streithagen von ihr. So macht`s der Fluß auch heute noch, ohne daß man Mittel gefunden oder angewandt hätte, dem zu steuern.

Das Roerthal, welches schon in seinem oberen Theile bei Kalterherberg, Einruhr, Heimbach, Nideggen, Maubach, des Reizenden so Vieles bietet, wird in seinem unteren Theile um so interessanter, als dort die nähere und weitere Umgebung des Thales in ihrer Flachland-Natur wenig Anziehendes aufweist. Es dehnt sich hier bis auf eine Stunde Breite aus. Das westliche Ufer zieht sich dem Meere zu, nur allmählich ansteigend, in die Höhe und hat in seinen ebenen, der Morgensonne zugewendeten Flächen meist guten Ackerboden, während der östliche Rand eine verhältnißmäßig steile, dünenartige Hügelkette bildet. Hügel reiht sich an Hügel. Theilweise dem Landbau bereits gewonnen, bieten die Abhänge bunte Saatenfelder und fette Weideplätze,  theilweise,  und zwar je näher der Mündung um so mehr, decken Kleingebüsch und Nadelhölzer die von der Abendsonne beschienenen Uferhöhen. Alle halbe Stunden, hier ganz unten verstohlen aus grüner Wiesenschlucht heraus, dort kühner von umwaldetem Hügel herab,  grüßen den mit dem Flusse Wandernden Kirchthürme und freundliche Dörfer. Die Hügel drängen sich immer mehr zusammen, schieben sich immer mehr durcheinander, werden immer vielgestaltiger in Form und Farbe, je mehr der Strom sich seiner Mündung nähert. 

Hier ist`s, kurz vor der Mündung, wo die Hügelkette des rechten Ufers ganz besonders malerisch hervortritt. Vom Roerthale aus langsam aufsteigend, lehnt sich an einen der höchsten in das Thal etwas vorspringenden  „b u r g  u n d  s t e d l i n  W a s s e n b e r g“.

Terrassenförmig schichten sich die Häuserreihen übereinander. Ueber diese hinaus ragt die Spitze des Bergkegels, fast wie künstlich aufgefahren, bedeckt vom Fuße aus mit dunkelem Grün, gekrönt von einer alten dachlosen Ruine. Epheuumrankt schaut der viereckige  S c h l o ß  -  u n d  F e s t u n g s t h u r m  jetzt noch stolzen Sinnes vom Berge hinab über das Flußthal, die Breite und Länge hinweg, Stunden weit. Der Blick vom Thale hinauf findet ein besonders reizendes Bildchen vom Hofe der nahe der Roer im Thale gelegenen  O r s b e c k e r  M ü h l e. Den anziehenden Mittelpunkt bildet die mächtige Thurmruine auf der Höhe, von oben herab ihrer ganzen Länge nach geborsten, von emporragendem Epheu wie zusammengehalten.

In der halben Höhe des Kegels lehnen an diesen an, nach Mittag schauend, die übriggebliebenen Burgräume mit ihren dunklen flachen Dächern. Auf dem südlich an den Burgberg anschließenden  W i n g e r t s b e r g  reckt sich, vom Müller verlassen und verwittert, das Pendant zur Burgruine - der Mauerstumpf einer alten Windmühle empor;

und zwischen beiden, vom Fuße des Burgbergs auf, zwar alt, doch nicht veraltet, älter wie beide, doch keine Ruine, tiefer wie beide stehend und doch beide überragend, in sinniger Ergänzung des freundlichen Bildes, die  K i r c h e mit ihrem Jahrhunderte jüngeren Kirchthurm.

Zwischen beiden Hügeln liegt der  O r t. Roth und blau lugen die Dächer, weiß die spitzen Giebel der Häuser aus dem Grün der Gärten hervor. Hinter alledem und darüber hinaus ragt ein schlanker, noch neuer  F a  b r i k s c h l o t, dem eine dunkle Rauchsäule entsteigt. Der grüne Kiefernwald der jenseitigen Höhen gibt dem Bilde seinen Hintergrund, und das Mühlenthor dem Ganzen seinen Rahmen.

Hier mag wohl Teschenmacher gestanden haben, als ihm der in seien Jülich`schen Annalen (1711, S. 369) ausgesprochene Gedanke kam, daß Wassenberg seinen Namen habe von „W a c h s  a m  B e r g“ (an dem Berge gewachsen). Stände er heute mit uns hier, vielleicht käme ihm beim Hinblick auf die  v i e r  W a h r z e i c h e n  W a s s e n b e r g s: Kirche, Burg, Mühle, Schlot, ein anderer Gedanke, der Gedanke an unsere Zeit und deren vier Stände: im Sturme der Zeit verfallen, nicht untergegangen, doch im Zeichen des Niederganges und der früheren Bedeutung entrückt, die  B u r g r u i n e , der Wohnsitz des A d e l s, dem die  M ü h l e , das Heim des einst wohlgesessenen B  ü r g e r t h u m s, im Verfalle fast gleichkommt;  zwischen beiden, wenn auch älter als sie, doch sie und die Jahrhunderte mächtig überragend, die  K i r c h e  , die Werkstatt des  g e i s t l i c h e n  Standes; hinter allem aber ein Bild des jüngsten  v i e r t e n  Standes, schlank und frisch sich emporringend: der erwähnte neue  F a b r i k s c h l o t .

Wassenberg hatte einst Stadtrechte. Es war Festung. Noch heute umschließt den Ort die alte Festungsmauer. An der südöstlichen Ecke zeigt den „Verlorenkasten“, eine Thurmruine in der Festungsmauer, wo diejenigen der Exekution harrten, die verurtheilt waren, auf dem nahen „Galgenberg“, einem Hügel neben dem Wingertsberg, ihre Schuld durch den Tod zu büßen.

Die Festungsgräben sind ausgefüllt; hier und da findet sich noch ein Stück Lache, als trauriges Ueberbleibsel des früher tiefen Stadtgrabens. Wie bei allen den kleinen Festungen haben sich die Gräben in üppige Gärten, Baumwiesen und Alleen verwandelt. Die Festung bildete ein ziemlich regelmäßiges, am Burgberg sich heraufziehendes Viereck, dessen nordöstliche Ecke in den das ganze Terrain beherrschenden Burgthurm auslief.

Vor dem südlichen Festungsthore („Brühlthor“) dehnt sich außerhalb der Mauern eine lange Straße, die „Brühlstraße“, hin, die durch den Festungsgürtel nicht eingeengt, eine bedeutend weitere Anlage aufweist. Wie damals, so werden auch heute noch die „Brühler“ von den mehr Gewerbe treibenden Bewohnern der ehemaligen Festung „die Bauern“ genannt, währen der „Brühler“ auch heute noch, euphemistisch genug, sagt, daß er in „die Stadt“ gehe.

Der Ort ist bei den gänzlich umgestalteten Verhältnissen nur mehr ein Flecken, allerdings kein gewöhnlicher. Vor allem fällt die niederländische Reinlichkeit auf. Die gepflasterten Straßen sind blitzeblank, die Häuser eins an`s andere anschließend, hier mit hohem Giebel, dort mit langer Breitseite in die Straße schauend, meist proper gestrichen.

Die Thüren und Fenster, namentlich der älteren Häuser, sind in Blaustein, manchmal mit Backsteinen und Blaustein abwechselnd, gefaßt. Das lang gestreckte, heute mit Cement bekleidete niedere Haus an der Hauptstraße ist ein altes  C a p u z i n e r k l o s t e r. Gegenüber hebt sich gleichalt, aber schmal und hochgiebelig, im Giebelfenster eine Freitagabends zum Stiftungsrosenkranz rufende Glocke, das  A r m e n h a u s  empor.

Nebenan liegt  ein altes Patrizierhaus mit Freitreppe, der Hof  P a c k e n i u s -  v o n  F o r k e n b e c k, der begütertsten Familie des Ortes, heute Sommerwohnung des durch die Gründung des Aachener Zeitungsmuseums weithin bekannten Herrn Oskar von Forkenbeck;

weiter durch das aus der Jülicher Zeit noch herstammende bethürmte  R a t h a u s. Von dort fällt der Blick nach Norden in die Birgeler Straße hinein, die früher mit dem „Birgeler Thore“ schloß,

nach Westen die Roßstraße hinunter auf das von drei Stadtthoren allein noch erhaltene, aber auch verfallene R o ß t h o r,

und nach Osten die Kirchstraße hinan

auf die aus dem Anfang  des zwölften Jahrhunderts stammende, inmitten des hübsch umgitterten Gottesackers gelegene Kirche.

Dieser gegenüber strecken sich an der anderen Straßenseite ein dreistöckiges, vielfenstriges Patrizierhaus, die wohlgepflegten Burggärten und die noch bewohnten Burgräume hin. Zwischendurch führt die Kirchstraße  aus einem neugebrochenen Thor zum Ort hinaus, auf Erkelenz zu.

Die hinter der Kirche hervorschauenden  alten Spitzdächer, Thorbauten und Erker gemahnen noch an das zu gleicher Zeit mit der Kirche von dem damaligen, hier residirenden Territorialherrn Gerhard II. von Geldern gegründete  S t i f t .

Es gibt noch genug  äußere Erinnerungszeichen an jene alten Herrscher im Orte, wenn auch die Erinnerung selbst bei den Wassenbergern schwand. Die Burg ist die Wiege der mächtigen Grafen von Geldern, die den Spruch führten und hielten:

„Hoog van moed, 
„Klein van goed,
„Een zwaard in de Hand
„Is`t wapen van Gelderland.“ 

Hoch von Muth,
Klein von Gut,
Ein Schwert in der Hand
Ist`s Wappen von Gelderland.

Gerhard von Antoing aus Flanderland nahm, wie der Klosterrather Annalist erzählt, um 1020 vom römischen Kaiser Wassenberg zum Lehn. Es war also damals schon nicht ohne Bedeutung. Hier residirte er. Seine Nachkommen sind die Herren von H e i n s b e r g  und die einst so mächtigen Grafen von Geldern. Die Wassenberger Burggrafen brachten den Ort zur Blüthe. Sie gaben ihm schon im Anfang des 12. Jahrhunderts seine heute noch stehende romanische Basilika, zugleich mit dem die Kirche umgebenden weitläufigen Stifte. Sie befestigten den Ort der Art, daß in den Kämpfen mit dem Gegenkaiser Philipp von Schwaben der deutsche Kaiser Otto IV. und Erzbischof Bruno von Köln in seinen Mauern Schutz suchen konnte. Allerdings nahm Philipp nach kurzer Belagerung Wassenberg ein und hielt den Erzbischof im Burgthurm gefangen, während Otto durch die Flucht entkam. Bald darnach hatte der Ort schon seine Städte-Rechte. Doch das Unglück hat es gewollt, daß dem Wassenberger Geschlechte die unmittelbaren Erben fehlten. Die Herrschaft kam an die Limburger, an die Geldrer, die Brabanter, die Heinsberger und mit dem letzten Heinsberger 1484, an die Herzöge von Jülich. Um den Besitz Wassenbergs wurden harte Kämpfe ausgefochten; um Wassenberg schlug Reinald IV. 1288 die furchtbare Schlacht bei Worringen, in der er selber mit 1100 Rittern und Knappen vom Brabanter Herzog gefangen genommen wurde, indeß 8000 Streiter und 4000 Rosse die Wahlstatt deckten. Unter den Jülicher Herzögen wurde die Stadt Sitz eines Droste und Hauptort des über große Theile der Kreise Erkelenz und Heinsberg bis in Holland hinreichenden Amtes Wassenberg. Im Hause des Droste zu Wassenberg, eines Freundes seines Herzogs zu Jülich, fand in den unruhigen Zeiten der Reformation der aus dem Kerker zu Köln befreite Prediger Johann Klopris, wie Luther auf der Wartburg, Schutz und Zuflucht. Außer und mit ihm waren damals beim Droste die Prediger Dionysius Vinne von Diest, Heinrich Slachtscaef aus Tongeren, Heinrich Roll und andere, die von hier aus ihre Lehre über das ganze Nördliche Herzogthum Jülich ausbreiteten, später aber mit dem Könige des neuen Zion, Jan van Leiden, in Münster ihr Ende fanden. Seit Wassenberg zum bloßen Amtssitz herabgesunken, waren die Tage seines Glanzes dahin.

In der französischen Zeit wurde es nicht einmal Canton-Ort. Es ist Flecken im Kreise Heinsberg. Anfangs des Jahrhunderts hatte es Webereien und Dachziegeleien. Seitdem aber die Eisenbahnen, die Landstraßen ersetzend, den Verkehr an sich rissen, schwanden auch diese. Es fiel das Hauptzollamt fort, selbst die Zoll-Einnehmerstelle. Dem Orte blieb nur noch das Notariat. Der evangelischen Gemeinde gehören im Orte außer dem Pfarrer und dem Lehrer eine vollständig evangelische Familie und drei Mischehen an. Die evangelische Kirche ist ein kleiner versteckter Bau.

Juden sind ebenfalls schon lange im Orte ansässig. Die übrigen 1000 Einwohner, einschließlich des nahen Ohe und Forst, gehören dem katholischen Bekenntniß an. Schon vor 800 Jahren war Wassenberg der Sitz eines Dekanates damals der Lütticher, jetzt der Kölner Diözese. Zwei Aerzte und ein Apotheker bemühen sich vergebens, unter den Bewohnern den Tod zu bannen. 

In neuerer Zeit ist Wassenberg wieder in das Zeichen des Verkehrs eingetreten. Eine Crefelder Firma begründete 1893, gegen Gewährung fünfzehnjähriger Steuerfreiheit, eine große  S e i d e n f a b r i k.

Wo einst der Boden vom Hufe der Rosse, von Lanzen und Harnischen der Ritter wiederhallte, da klappert jetzt die eiserne Gezau. Wo einst Trompetenstöße, Ritter und Knappen zu lustigem Turnier und ernstem Kampfe luden, da ruft jetzt das wenig melodische Fabrikhorn arme Weber zu langer Tagesarbeit. Wie sich die Zeiten und Sitten auch geändert haben mögen: Herren und Knechte einst wie jetzt!

Ein anderer Verkehr ganz besonderer Art ist Wassenberg seit einem Jahrzehnt entstanden. Wassenberg ist, wie Offermanns (Geschichte der Städte u. s. w., Linnich, 1854, S. 219) sagt, „ein freundlicher Flecken in einer romantischen Gegend“, „ein ländliches Idyll“, wie es Landtagsabgeordneter Schmitz zur Zeit im Abgeordnetenhause bezeichnete. Seine von Natur aus freundliche Lage wurde durch die Kunst des Menschen noch gehoben. Einige Schritte von Wassenberg, nach Osten hin, erstreckt sich, mehrere hundert Morgen groß, ein parkartig angelegter Wald, das Judenbruch, auch Marienbruch genannt, eine dem Publikum offene Privat-Besitzung.

Das zwischen Burgberg und Wingertsberg in`s Roerthal auslaufende Querthälchen war noch anfangs dieses Jahrhunderts ein wüster Sumpf, stellenweise zwar von Eichen überragt, aber zum größten Theile nicht einmal betretbar. Durch die Opferwilligkeit der Familie Packenius, welche das Bruch vom Fiskus erstand, besonders die jetzigen Eigenthümer, Eheleute Oskar von Forkenbeck und Maria Packenius, ist dasselbe mit Hülfe des vor nicht langer Zeit im achtzigsten Lebensjahre verstorbenen Försters Wild in einen Park umgeschaffen worden. Zunächst wurden die Wasser in Teichen gesammelt, diese durch Kanäle oder Kaskaden mit einander verbunden, dem Ganzen Wege gegeben, Brücken gebaut, Kiefern-, Birken-, Platanenalleen angelegt, Ruheplätze, Grotten geschaffen, Durchschläge für Aussichten gehauen.

 

Auf den Teichen wiegen sich jetzt Nachen zwischen weißen und gelben Wasserrosen. Hier zeigt jetzt das Bruch volle Hochwaldnatur, hochstämmige Eichen und Buchen breiten dichte Schattendächer über gangbare Waldwege, dort wechselt Niederholz mit Nadelbeständen, und weiter durch wird`s ein Stauden- und Blumengarten, überall von strahlenden Wasserspiegeln belebt und wiedergespiegelt.

Mit Großem Geschick ist das dunkle Nadelgehölz unter die helleren Eichen und Buchen vertheilt, und zwischendurch das schimmernde Weiß der Birke und Silberweide verstreut. Die Balsamweide duftet mit der Linde um die Wette. Die breitblätterige Kastanie bietet freigebig ihre Frucht. Die Tannen und Fichten wechseln in mehr als zwanzig Sorten.

Der Hollunder ist in einer Reihe von Arten vertreten. Die verschiedensten Farren, vom zarten Federfarren bis zum hohen Adler-Saumfarren decken den Boden, Hunderte munterer Sänger, von der piepsenden Meise bis zur laut schlagenden Drossel, haben Jahrein Jahraus hier ihre Herberge, und wenn der Lenz in`s Land zieht, kommt mit ihm eine ganze Schaar von Nachtigallen. Da schlägt`s und schallt`s von allen Ecken und Enden. Da gibt`s kein Locken, das nicht seinen Widerhall fände. Furchtlos spielen die Eichhörnchen im raschelnden Laube und gucken verwegen mit den klugen Aeuglein dem müßigen Wanderer zu Scheu hüpft das schnelle Kaninchen, vom Fuße des Wanderers aufgeschreckt, über den Weg davon. Auf den Wanderer aber selbst sinkt es, wenn er an stillen Sommertagen allein im Bruche ist, wie Gottesfrieden hernieder.

Deshalb ist es begreiflich, daß Sommers über tausende Städter aus dem Fabrikvorderland und dem holländischen Hinterland zu fröhlichen Fahrten in`s Judenbruch ziehen, zumal in den Gasthäusern des Ortes auch für den leiblichen Menschen stets beste Pflege sich bietet. Sonntags sind nicht selten bis zu dreißig Equipagen dort aufgestellt. Pfingsten wurden über 2000 Fremde im Park gezählt.

Die schöne Lage, die prächtigen Wälder,  die herrlichen Fernsichten und Spaziergänge, alles dicht vor dem Orte, dazu die gute Verpflegung halten manchen Kurgast auf längere Zeit am Orte. Dieser wird dann im Judenbruch auf Besonderes aufmerksam. Die Siebenbirken, der Siebenweg, der todte Baum, der Tulpenbaum, der Rehbaum, der Irrweg, die Bergschlucht, Das Schneckenhaus, der Teufelsstein, die Bischofsbank, die Eremitage, die Kapelle, und wie all diese Merkwürdigkeiten heißen, haben jedes seine eigene Mär. Bald findet man die hübschen Punkte heraus: die Ruheplätzchen zwischen den beiden Seen; am Eisensprudel,

neben dem plätschernden Bach, und in der Erdschlucht die Ausblicke durch den Aushau auf Stadt und Burg, über den Treppenweg zur Höhe, durch die Weimuthsallee auf`s Schneckenhaus, von der Brücke auf den Wasserspiegel, vom Lusthaus auf das versunkene Schloß, durch den Hohlweg auf die Mühle.

Da ziehen immer wieder an die von Farren bestandenen und Haselholz überdeckten Hohlwege, die schmalen Buschpfade durch die Pflanzkämpen, die hoch überwölbten Waldwege unter den Eichen und Buchen, die teppichweichen Gänge im Tann. Nur ungern scheidet der Wanderer. Selbst nach längerer Rast heißt es stets „auf Wiedersehen“.

Das Judenbruch ist zuerst das Ziel der Fremden. Doch es gibt der schönen Punkte zum Wandern und Verweilen in der unmittelbarsten Nähe von Wassenberg noch so viele, daß sie sich im Einzelnen nicht alle besprechen lassen. An der Kapelle vorbei führt zum Judenbruch hinaus der Weg eine kurze Strecke durch Schlagholz und Heide. Der Blick ist durch das Gehölz beschränkt. Der Weg senkt sich allmählich. Mit einem Male ist die Gegend ganz frei. Ein kleiner, nahezu quadratischer Thalkessel liegt in der Tiefe, ringsum von bewaldeten Höhen umkränzt. 

Zur gegenüberliegenden Ecke fällt der Blick auf die freundliche Kirche und das Pfarrhaus von  M y h l , die sich vom Fuße der das Thal abschließenden Höhe erheben.

Rings aus den grünen Hängen stehlen sich die rothen Ziegeldächer des Ortes heraus. Neben der Kirche ragt auf dem Schwanderberg ein neues prächtiges Kreuz empor. Zwischen Kirche und Kreuz durch, über beide hinaus, grüßt aus der Ferne der Kirchthurm von  G e r d e r a t h. Ein selten schönes Bildchen, des Pinsels eines Malers werth, das um so mehr packt, je weniger man es aus dem Waldgestrüpp heraus zu finden erwartet. Sagen und Legenden von vergangenen Klöstern, verschwundenen Nonnen, Heilung Besessener knüpfen sich an dieses Fleckchen Erde. Doch der Wanderer muß leider vorüberziehen.

Nur einen Bogenschuß weiter zur Seite, im Hügelterain zum Roerthal vorspringend, liegt der  Ga l g e n b e r g , der höchste Berg der Umgebung, der von seinem ehemaligen Zwecke als Richtstätte, heute noch seinen Namen führt. Wohlfeiler Patriotismus hat ihn, allerdings vergebens, in neuerer Zeit zur Friedrich Wilhelmshöhe umtaufen wollen. Den armen Missethätern mag die herrliche Aussicht von hier kaum zum Frommen gereicht haben, und dem Thale war es gewiß auch keine Zierrath, als das Gericht zu Wassenberg am 5. Mai des Jahres 1551 achtzehn in der Nachbarschaft auf dem „Blates“ ausgehobene Räuber hier gleicher Zeit aufknüpfen und zum warnenden Exempel Wochen lang an dem Galgen, den Räuberhauptmann auf dem Rade ließ.

Von jenen Schrecken hat der Ort heute nichts mehr an sich, wohl aber noch die  P r a c h t a u s s i c h t , die, wie allerorts hier, unvermittelt sich bietet. Da liegt das Roerthal in seiner ganzen Breite und einem großen Theile seiner Länge aufgeschlagen, wie ein offenes Buch. Im Süden stützt sich die Halbkuppel des Gesichtskreises auf die blauen Eifelberge, verliert sich im Westen auf dem äußersten Rande des linken Roerufers über Sittard, und schließt im Norden hinter den Thürmen von Roermond ab. In diesem weiten Bogen zeigen sich in der Ferne die Niedegger Berge, die schlotenreichen Höhen der Atsch, der einsame Lousberg und der flache Rücken des von dem breiten Frauenkloster gekrönten Echterbusches. Innerhalb dieses weiten Zirkels schaut das Thal, wie ein bunt gemusterter Teppich, zusammengewirkt aus Feld und Wiese, Wald und Haide, durchschnitten von Fluß und Landstraße, und mit Dörfern übersäet, zur Höhe empor. Mehr als 50 Kirchen sind hier zu zählen. Der Blick umspannt Theile von sieben preußischen Kreisen und die Länge der holländischen Provinz Limburg von der Falkenburger Sohle bis zum Venloer Scheitel. Wenn bei aufkommendem Regenwetter die weiten Fernen zum Fuße des Berges herangezogen werden, wenn dann der Wind die Wolken zu Paaren treibt und die Sonne hinter ihnen, Verstecken spielend, Lichter Schatten wechselnd, über das Thal verstreut, wenn zu später Herbstzeit die Abendsonne jenseits des Thales niedersinkt, die Wolken mit malerischen Tinten übergießt und ihre Ränder golden verbrämt, dann ist der Auslug vom Galgenberg ein unbeschreiblich schöner.

Auf der halben Höhe des Berges, zwischen dem Auslug und dem Judenbruch, das sich hierhin emporzieht, liegt im Grünen versenkt  eine kleine  W a l d w i r t h s c h a f t.

Vorüber führt der Weg nach Süden  gleich wieder in den Wald hinein, Partien bietend, zu deren Beschreibung  nur eines Dichters Feder im Stande ist. Laubbestände, Eichen- und Birkenschläge wölben über den Weg ein luftig Dach; rothe Heide und grüne Waldbeersträucher säumen den Weg, bis die Bahn sich senkt und die Hochwaldnatur vortritt. Hohe Eichen ragen, von grauem Schurf bedeckt, aus dem grünen Rasen hervor. Der Blick verliert sich durch lange grüne, zum Laubgang rund überwölbte Wege zu Thal. Der Fuß tritt weichen Rasen. Die Luft füllt Waldesduft. Ein murmelndes Bächlein kreuzt den Weg. Von der weiten geräuschvollen Welt ist man ganz abgeschnitten. Mit einem Male öffnet sich dem Blick ein kleiner, grüner Plan. Mitten im Walde strahlt eine saftige, grüne Wiese. Vom Rande zieht sich, scheu auffahrend, ein äsendes Reh in`s schützende Dickicht zurück. Noch eine Strecke, dann hat der Waldbestand ein Ende. Quer durch den schmalen Ackerthalkessel führt der Weg in einigen Minuten zu einer Höhe, dem „Myhlerberg“. Auch hier wieder unerwartet ein prächtiger Blick auf ein in`s Roerthal mündendes Querthal. Die Höhe dacht allmählig ab. Durch das kurze Thal zieht sich der Ort  A l t m y h l. Hinter demselben hebt sich, von dunkelen Tannenwäldern bedeckt, senkrecht aufsteigend, die jenseitige Bergwand empor. Links herüber grüßen die Kirchthürme von Gerderath und, nach rechts verliert sich der Blick durch das Thor des Querthälchens in das weite Roerthal hinein. Das ist eine kleine Schweiz. In weiterer Fortsetzung des Weges bieten neue Punkte neue Ausblicke, hier weiter, dort enger, auf Roer- und Querthäler. Schröferberg, Klierhöhe, Kleingladbacher Berg haben darunter den größten landschaftlichen Reiz, und das Angenehme, daß selbst der weiteste von ihnen, der  W a c h b e r g , in einer Stunde Weges von Wassenberg aus zu erreichen ist.

Gleiche Schönheit weist die Hügelkette auf in ihrer Fortsetzung über Wassenberg hinaus nach Norden. Der Weg, welcher an der Kirche vorbei zum Judenbruch abschwenkt, führt gerade aus in einigen Minuten zur „Heide“, auf die über Wassenberg hinausragenden, den Hintergrund des Bildchens von der Orsbecker Mühle bildenden Höhen. Von der Landstraße abbiegend, steigt er den Berg hinan durch eine junge Birkenallee zu dem thalwärts vorspringenden Heidehügel, der sich ebenfalls eine Wiedertaufe in Wilhelmshöhe nicht hat gefallen lassen wollen.

Der Gang und sein Ende bringen neue Bilder. Anfangs zeigt sich nur der blaue Glast der Ferne. Bald löst er sich auf. Der Blick erfaßt zuerst den hohen Thurm der Christopheruskirche von Roermond, der von beiden Thürmen des Münsters flankirt wird, gerade als ob sie zu ihm gehörten, während sich die spitze Nadel der neuen Kapelle im Sand weit seitwärts zeigt. Dann öffnet sich das Thal auch nach links hin. Die Landschaft wird weiter und immer weiter, und der Blick, vom Ende des Heidekopfes aus, umspannt nahezu den ganzen Umkreis, wie er sich auch vom Galgenberge bot, doch in einem andern Lichte. Burg und Kirche Wassenberg, an sich hoch, liegen, von hier gesehen, im Thale. Ueber sie schauen, besonders sich vordrängend, aus der Ferne die schlanken Kirchthürme von  H e i n s b e r g  und  B r a u n s r a t h  herüber, und zwischen diesen und den Roermonder Thürmen liegen verstreut, die fünfzig anderen Pfarrorte, diejenigen Dörfer nicht zu zählen, welche keine Kirche haben. An den Fuß des Heidehügels lehnt sich im Thale mit seinem stumpfen Kirchthurm,

seinem hohen Pfarr- und Schulhaus, das große Dorf  B i r g e l n an.

Ueber den Ort herüber blinken im Sonnenlicht aus dem Park heraus die Zinnen des Schlosses  E l s u m, des Sitzes der Lebenden vom Geschlechte von Leykam.

Die Todten ruhen in der gothischen Grabkapelle, welche jenseits eines Querthälchens vom Nachbarhügel zum Schlosse hinabschaut. Diese ist vor einigen Jahren durch den verstorbenen Freiherrn von Leykam, an Stelle der alten niedergelegten Birgeler Pfarrkirche in Mitten des Kirchhofes errichtet worden. Der Bau war sehr alt. Die Wallfahrer nach Roermond zeigten einander vom Thale aus den Schaum, der noch von der Sündfluth her an der Spitze des Thurmes hing. Alt war der Bau thatsächlich, denn nach Bild und Bauart gehörte zum wenigsten der ersten Christenzeit des Landes an. Undankbare Epigonen haben sich durch den Abbruch schwer versündigt. Auch heute noch wie vor vielen hundert Jahren wird der Birgeler  die steile Höhe hinangetragen, doch nicht mehr wie früher auch zur Taufe, sondern nurmehr zur letzten Ruhe. Das ist ein schönes Ruheplätzchen. Am Fuße des Kirchhofberges im Thale, zwischen diesem und dem Haidekopf, liegt, früher traulich versteckt, jetzt auf  blasser Fläche das „B i r g e l e r  P ü t z c h e n“.

Von rechts und links hallen die Stimmen frommer Beter herauf, Wallfahrer ziehen durch das Thal, Landleute der Umgegend, einzelne und in Gruppen, die allsonntäglich  ihre Anliegen der schmerzhaften Mutter „zum Pützchen“ bringen. Dem Wasser des Brünnchens unter der Kapelle wird heilkräftige Wirkung für die Augen zugeschrieben. Im Innern hängt manche dankbare Widmung. hier ist eine ehrwürdige Stätte. Der Christenapostel der Gegend, der heilige Lambertus, hat jene erste christliche Kirche der ganzen Gegend auf dem Hügel eingerichtet, das Brünnlein zum Taufbecken benutzt. Daher die hohe Verehrung, welche das Volk dem Orte im Gebete bis heute treu bewahrt. Nach Osten fällt der Blick vom Hügel auf menschenleere Heidehöhen und Waldthäler hinab, die sich wild romantisch durch einander drängen. 

Zur Linken folgt ein Weg über einen dieser Bergrücken. Der Tann schließt die Aussicht zum Roerthal bald ab, bald läßt er wieder einen Durchlug, bis er endlich zum geschlossenen Wald sich dichtet. Rechts und links dringt der Blick  durch die langen Zeilen der aus Reihensaat aufgegangenen Tannenbestände wie in`s Unendliche. Der Weg senkt sich, zieht sich bald wieder durch stärkeren, aber unregelmäßigeren Tannenbestand zu neuer Höhe. Da hat der Wald sein Ende.

Ueber eine Schonung ragt ganz nahe von der jenseitigen Höhe aus Laubwald hoch empor der neue romanische Kirchthurm von W i l d e n r a t h, den der hochherzige Pfarrer seiner Gemeinde aus eigenen Mitteln erstellte. Der Reiz des Unverhofften bannt förmlich den Blick des überraschten Wanderers auf das schöne Bildchen.

Bei der Rückkehr mißt das Auge, da wo der Weg von dem Bergrücken zum Orte niedersinkt, das ganze Querthal des Judenbruchs von der Thalsohle hinauf bis zum Kamme der jenseitigen Höhe. In der Thalsohle liegt, zwischen den Bergen eingegraben, geschützt von allen Seiten vor Wind und Wetter, der weite Bau der bereits erwähnten Seidenfabrik von Krahnen und Gobbers aus Crefeld, der, wenn auch Fabrik, doch mit seinen beiden geschmackvollen zinnenbekrönten Frontthürmen u. seinem nicht unschönen Schlot dem Thale einen besonderen Reiz verleiht. Vor dem Eintritt in den Ort schweift das Auge noch einmal rechts und links über`s Thal. Dann führt die Landstraße unter hohen dunkelen Kastanienbäumen, durch die in die Stadtmauer gelegte Bresche, zwischen der über ihre wohlgepflegten Gärten hinüberragenden Burg und der aus dem schön vergitterten Kirchhofe mit der Längsseite herausschauenden Basilika hindurch, die abschüssige Kirchstraße hinab in den Ort hinein.

Bei weiterem Wandern finden sich der hübschen Punkte, der schönen Aussichten der anziehenden Spaziergänge, historischen Erinnerungen noch ungezählte.

Der  B u r g b e r g , den in liebenswürdiger Weise  die Besitzerin Wittwe Claus aus Roermond dem Publikum zugänglich macht, der Kirchhof von Birgelen, der anschließende  K o f f e r a t h s b e r g, die nebenliegende  C a r o l i n e n h ö h e, das Jagdschlößchen  W a l d h e i m  des Fabrikanten Schött aus Rheydt, die  V l o d r o p e r   H ö h e  mit ihrem Aussichtsthurm, haben manichfaltige Fernsichten über Roer und Nebenthäler. Die Wanderung dahin auf den Wald- und Höhenpfaden bieten dem Kundigen einen Reichthum von Naturschönheiten, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten über dies einem steten Wechsel unterworfen sind, und den Vorzug haben, daß die Spekulation noch nicht ihre Eindrücke bei ihnen zurückließ. Der alte  B u r g t h u r m  beherbergte als Gefangenen einen deutschen Kaiser und einen Kölner Erzbischof. Von seinem  M e s s e r p ü t z  hört die ungläubige Nachwelt Grauenerregendes erzählen. Im Ossenbruch geht die schwarze Dame, im Judenbruch der Drühe um; ihm leistet der Teufel Gesellschaft, der allnächtlich auf einem bestimmten Steine sitzt, nahe bei der Stelle, wo ein Schloß versunken ist, im  C a p u z i n e r k l o s t e r  spukt Pater Achatius; der so genannte alte  B e r g  bei Rötgen gemahnt noch an die Merowingerzeiten; H a s t e r n  bei Altmyhl kündigt sich als eine im 13. Jahrhundert bis zum letzten Stein zerstörte Stadt an;  H e l p e n s t e i n, das ehemalige Tempelherrenhaus unweit Arsbeck erzählt von der Plage der Raubritter im 14. Jahrhundert; der B l a t e s, eine Waldpartie zwischen Myhl und Gerderath weiß von der Leprosennoth und dem Räuberwesen im 16. Jahrhundert. Die Gegend war so gefürchtet, daß der Volksmund das eigene Wort für sie fand:

Wä well gonn van Gidere no de Mihl,
Dä mott gonn am hellen Dag on met Ihl. 

Der vielen Schlösser und Adelsgeschlechter der Gegend, Schloß  B l i t t e r s d o r f , Haus W i l d e n r a t h, Haus  H a l l, Burg  E f f e l d  und wie sie alle heißen, ist dann noch nicht gedacht. Ueberall zeigt sich hier dem Geschichtsfreund eine reiche Vergangenheit, dem Naturfreund eine herrliche Gegenwart. Mag man nun aber von Ost oder West, von Nord oder Süd kommen, die Gegend zu ergründen, über alles ragt immer heraus, von allen Seiten auf seiner eigenen Höhe, das Centrum des Ganzen:  „ B u r g  u n d  S t ä d t l e i n W a s s e n b e r g“. 

W. Weisweiler,
Rechtsanwalt und Notar