Drucken
Kategorie: Arbeitskreise
Zugriffe: 16020

Myhlern liebevoll aufs Maul geschaut

Sie ist mit jetzt 89 Jahren die älteste Akteurin beim traditionellen Mundartabend des Wassenberger Heimatvereins. Der regte auch das Büchlein mit Gedichten in "Myhler Plott" von Agnes Winkens an, das im Oktober erscheint. Von Angelika Hahn

Im Pressegespräch gab Agnes Winkens schon mal Kostproben aus ihrem Gedichtsammelband
Im Pressegespräch gab Agnes Winkens schon mal Kostproben aus ihrem Gedichtsammelband "E Möngke voll von Myhler Platt", der im Oktober erscheint, zum Besten. FOTO: Jürgen Laaser

"Ich habe immer schon gedichtet", sagt Agnes Winkens geb. Phlippen im Pressegespräch zu ihrem Mundartbuch, das im Oktober erscheinen wird. Wann die heute 89 Jahre alte, agile Seniorin, die an der Höheren Töchterschule in Mönchengladbach 1947 Abitur machte, ihr erstes "Werk" verfasste, daran kann sie sich nicht mehr genau erinnern, es müsse in sehr jungen Jahren gewesen sein, sagt sie. Denn schon als Schülerin, so Winkens, faszinierten sie die Gedichte der Klassiker Goethe und Schiller. Ihr ureigenes Terrain als Hobby-Autorin allerdings ist für Agnes Winkens seit eh und je die Mundart - aber nie Prosa, sondern immer die zumeist in gereimter Gedichtform.

Wassenberger Mundartfreunden muss man die heute in der Oberstadt lebende gebürtige Myhlerin, die natürlich ihre Gedichte in "Myhler Plott" verfasst, nicht umständlich vorstellen. Die Seniorin gehört seit Jahren zu den Akteuren beim beliebten Mundartabend des Wassenberger Heimatvereins. Und Kenner wissen: Agnes ist immer gut für Geschichten und Anekdoten voller Mutterwitz aus ihrem Heimatort.

Gern lässt sie Geschichten von früher, die sie selbst erlebt hat oder von ihrer Mutter erzählt bekam, in Reimform fließen, aber sie setzt sie auch in Beziehung zum Heute. Etwa wenn sie beim Pressegespräch in einer "Kostprobe" über den alten Brunnen im Myhler Oberdorf von 1899 auswendig ein Gedicht vorträgt. Es geht um die Zeit, in dem der Brunnen noch in Funktion war, Gedanken kreisen um die Wasserstelle als Ort im Dorf, wo man sich zum Klängern traf - heute würde man das einen Hotspot der dörflichen Kommunikation nennen. Längst Vergangenheit in Smartphone-Zeiten.

46 Gedichte hat die Seniorin jetzt, angeregt und unterstützt von Walter Bienen, dem Mundart-Experten des Heimatvereins Wassenberg, und ihrer Tochter Margit Wolf, für ein Büchlein vorbereitet, das zurzeit auf die Bindung wartet, im nächsten Monat ausgeliefert wird und ab sofort bestellt werden kann. Das Büchlein "E Möngke voll von Myhler Platt - Stökskes en Plattdütsch" gliedert die Gedichte in Themenkomplexe auf wie "Min Heemet", "Kengertiet", "Myhler Orijenale" oder "Von der Kirek".

Hinter den Gedichten blitzt eine lebenskluge Zeitgenossin auf, die nur durch die Kriegswirren daran gehindert wurde, ihrem Wunsch gemäß Pharmazie zu studieren. Stattdessen arbeitete sie als Dolmetscherin für Englisch beim Amtsbürgermeister in Wildenrath und war später Sekretärin in einem ortsansässigen Unternehmen, bevor sie ihrem Mann Jakob Winkens in seinem eigenen Unternehmen tatkräftig zur Seite stand. Seit 2008 ist die dreimal dreifache Mutter, Oma und Uroma Witwe.

Agnes Winkens, die immer noch gerne ausgedehnte Spaziergänge unternimmt und ihren Haushalt selbstständig führt, engagierte sich - wen wundert es - vielfältig: etwa im Pfarrgemeinderat, als Vorsitzende des Kirchenchors oder bei der Caritas. Und natürlich will die bald 90-Jährige auch beim Wassenberger Mundartabend im November wieder zur Stelle sein.

Quelle: RP vom 14. September 2016

E Mönke voll Mähler Platt (Wassenberg Aktuell vom 18.9.2016)


 

D´r Wasseberjer Plattdütsch–Oavend - ein Buch mit 91 Geschichten und Liedern

Lokalgeschichte zum Anfassen – heiter und ernst, immer authentisch

Früher wurde am Niederrhein und in fast allen Gebieten Deutschlands nur „platt“ gesprochen. Hochdeutsch war für die Erstklässler die erste Fremdsprache, die sie zu erlernen hatten. Viele Mitmenschen der älteren Generation können davon noch ein Lied singen.

Was aber genau ist unter platt zu verstehen? Zieht man für die Klärung den Duden zu Rate, so kann man dort folgendes lesen: „Platt = flach; plattdeutsch = niederdeutsch“; im 17. Jahrhundert von niederländisch zu niederdeutsch, also: „Platt = flach im Sinne von gemeinverständlich, von vertraut“. Schon vor rund 300 Jahren war den Menschen unserer Gegend dieser aus dem niederländischen kommende, von Ort zu Ort unterschiedlich klingende Dialekt, den wir heute noch sprechen, geläufig. Er war für unsere Vorfahren (all-)gemeinverständlich, die Leute waren mit ihrer Mundart vertraut. Wir wissen, dass sich manche Redewendungen im Plattdeutschen nicht ins Hochdeutsche übersetzen lassen, ohne dass dabei diese „Vertrautheit“ verloren geht. Auch vor der Sprache macht der technische Fortschritt nicht halt, weder vor der plattdeutschen noch vor der hochdeutschen; sie verändert sich stetig, weil sich unsere Lebensverhältnisse rasant verändern. Um so wichtiger ist es für viele von uns, die mit der plattdeutschen Sprache vertraut sind, unsere Mundart weiter zu pflegen. Die Erhaltung der plattdeutschen Sprache liegt vielen Menschen in unserer Gegend sehr am Herzen. Um der Nachwelt die einzigartigen Geschichten, Gedichte und Lieder aus dem Wassenberger Land zu erhalten, hat schon Karl Lieck aus Wassenberg zwei Schriftbände unter dem Titel „Wu et Hatt van voll es ...“ herausgegeben. Die meisten dieser dort niedergeschriebenen „Stöckskes“ wurden von den Autoren bis in das Jahr 2003 beim jährlich stattfindenden Plattdeutsch-Abend in Wassenberg vorgetragen. Seit dem letzten Plattdeutsch-Buch von Karl Lieck hat sich wieder eine stattliche Anzahl von rund 120 plattdeutschen Geschichten, Gedichten und Liedern angesammelt. „Solche Geschichten dürfen nicht verloren gehen“, sagt Walter Bienen. Deshalb ist daraus nach über zweijähriger Arbeit ein Buch entstanden, das so manchem Leser ans Herz wachsen wird. 91 Werke aus der Feder von 20 Autoren wählte Walter Bienen aus.
Sein Buch erfasst einen großen Teil dieser Plattdeutsch-Abend-Geschichten. Es wurden diejenigen Mundart-Texte berücksichtigt, die aus der Feder der Erzähler stammen und von den Autoren zur Veröffentlichung freigegeben wurden. Die Texte geben viel über die Lebensart der Menschen des Wassenberger Landes preis.

Darüber hinaus zeigt das Buch auf acht Seiten Farbbilder bekannter und weniger bekannter Motive aus dem gesamten Stadtgebiet. So sind unter anderem ehemalige Myhler Gaststätten abgebildet. Das älteste Foto stammt aus dem Jahre 1920. Selbst das 2006 am Goldelweiher entstandene Titelbild ist heute schon Geschichte, weil dieser Bereich inzwischen deutlich umgestaltet wurde.

Zahlreiche Texte spiegeln die heutige wie auch die längst vergangene Lebenswirklichkeit von Bürgern aus dem ganzen Stadtgebiet wieder. Walter Bienen weiß, dass manche sich beim Lesen eines plattdeutschen Textes schwer tun. Sein Tipp: „Einen plattdeutschen Text sollte man laut lesen. Dies trägt ungemein zum Verstehen bei; der plattdeutsche Text erschließt sich dem Lautleser nahezu von selbst.“ Damit auch junge Leute, die das Plattdeutsch nicht mehr sprechen, sich an den Stöckskes erfreuen können, regt der Herausgeber an, dass ältere Bürger ihren Kindern und Enkeln aus dem Werk vorlesen.

Der relativ günstige Preis des Buches (8,95 Euro) kommt deswegen zustande, weil die folgenden Autoren ihre Texte unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben: Walter Bienen, Wassenberg; Uli Fischer, Wassenberg; Karl-Heinz Geiser, Wassenberg; Maria Gerards, Wildenrath; Magda Hausmanns, Karken; Josef Heinrichs, Wassenberg; Hanns Heidemanns, Wassenberg; Kai Hilger, Wassenberg; Karl Lieck, Wassenberg; Josef Rademacher, Effeld; Käthe Schröders, Haaren; Mali Sieberichs, Wassenberg; Käthe Stolz, Wassenberg; Heinrich Thissen, Birgelen; Bruno Wilms, Myhl; Leo Wilms, Wildenrath; Agnes Winkens, Wassenberg; Hedwig und Jakob Wolters, Wassenberg.

Das mit 176 Seiten recht umfangreiche Werk ist beim Heimatverein Wassenberg (Vorsitzender Sepp Becker, Tel. 02432/7932) und beim Herausgeber (Walter Bienen, Tel. 02432/5349 oder unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! erhältlich.
Es erscheint zu einem günstigen Zeitpunkt, denn es eignet sich hervorragend als ein Präsent zu Weihnachten. Übrigens: Die im Buch abgedruckten Lieder von Karl Lieck sind auch als CD erhältlich und können bei Walter Bienen per Mail bestellt werden.