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Sänger: Karl Lieck

Wassenberg1420

 

Einladung

Gestaltung des neuen Synagogenplatzes

 

An jüdisches Leben in der Stadt erinnern

Heimatvereinsvorsitzender Sepp Becker hält am früheren Standort der Synagoge die Gedenkrede zur Eröffnung der Erinnerungsstätte. Der Betty-Reis-Projektchor gestaltete die Feier musikalisch. FOTO: Jürgen Laaser
Heimatvereinsvorsitzender Sepp Becker hält am früheren Standort der Synagoge die Gedenkrede zur Eröffnung der Erinnerungsstätte. Der Betty-Reis-Projektchor gestaltete die Feier musikalisch. FOTO: Jürgen Laaser

Gestern vor genau 77 Jahren wurde die Wassenberger Synagoge von Nazis in Brand gesetzt und zerstört. Eine Gedenkstätte am Ort des Geschehens erinnert jetzt an das Leben und Schicksal der Wassenberger Juden. Von Angelika Hahn

Die hässliche Brachfläche in Wassenbergs Ortskern gehört nach dem Neubau des Praxishauses Beckers und der ansprechenden Gestaltung des dahinter anschließenden Platzbereiches der Vergangenheit an. Vor allem aber findet durch die Umgestaltung der Standort der früheren Synagoge entlang der Mauerreste an der Synagogengasse nun eine angemessene Gestaltung als Gedenkstätte.

Gestern wurde unter großer Anteilnahme vieler in dieser Sache engagierter Bürger und historisch Interessierter aus dem weiten Umkreis die vom Wassenberger Heimatverein initiierte Gedenkstätte ihrer Bestimmung übergeben.

Am Tag genau vor 77 Jahren, dem Morgen nach der Reichspogromnacht, war das Gotteshaus von Nazis in Brand gesetzt und dem Erdboden gleich gemacht worden. Bestürzend nah ging das gestern durch die Schilderungen der beiden Zeitzeugen Karl Lieck ("Es rauchte noch") und Karl-Heinz Geiser vom Heimatverein, denen damals als Schüler "stolz" das Zerstörungswerk vorgeführt wurde. Dann wurden die Kinder zu den Gefängniszellen ans Alte Rathaus geführt, wo die Kinder zu Schmährufen gegen die dort einsitzenden Juden angestachelt wurden.

Die Stadt ließ die Grundfläche des kleinen Gebetshauses nun pflastern, integriert sind einige wenige Steine der Synagoge, deren Umrisse von einer Hecke angedeutet werden. Auf der Mauer erinnern Tafeln, an deren Texten neben dem Heimatverein auch Schüler(innen) der Betty-Reis-Gesamtschule mitgearbeitet haben, an die Wassenberger Juden im Dritten Reich, an jüdisches Leben in der Stadt und die Biografien der ermordeten Wassenberger Juden.

Zur Feierstunde begrüßte Bürgermeister Manfred Winkens in seiner langen Liste der Gäste besonders Mitglieder der Familien Latour und Graab, die mit dem jüdischen Leben in der Stadt in besonderer Verbindung stehen. So erinnerte Heimatvereinsvorsitzender Sepp Becker in seiner Rede an Max Graabs mutigen Protest nach dem Synagogenbrand. Graab wetterte gegen die Nazis als "Verbrecher" und "Gotteslästerer" und landete natürlich im Gefängnis.

Becker gab einen interessanten Abriss jüdischer Geschichte in Wassenberg. 1321 wurde zum ersten Mal urkundlich ein jüdischer Stadtbürger erwähnt, seit 1699 gebe es den jüdischen Friedhof. 1808 lebten 42 jüdische Bürger in Wassenberg und Birgelen. Die Zeit zwischen 1840 und 1879 nannte Becker eine Blütezeit jüdischen Lebens in den Landgemeinden, es entstanden Synagogen, wie 1867 die in Wassenberg. Juden waren aktiv im Gemeindeleben. Synagogenvorsteher Simon Heumann etwa gehörte 1897 zu den Mitgründern des Heimatvereins. In der NS-Zeit der radikale Wandel: Juden, so Becker, durften nicht ins Schwimmbad oder Kino, waren in Lokalen unerwünscht, in ihren Geschäften sollte nicht eingekauft werden. Karl Hertz war das erste Wassenberger Opfer, das ins KZ (Sachsenhausen) deportiert wurde. Auch an weitere jüdische Familien, auf die Becker einging, erinnern die neuen Gedenktafeln.

Allen voran spielt das Schicksal der Familie Reis eine Rolle, zumal Betty Reis' Bruder Walter (gestorben 2005) als nach Kanada ausgewanderter Holocaust-Überlebender spät wieder Kontakt und Zugang zu seiner Heimatstadt fand, mit der er zunächst nie wieder etwas zu tun haben wollte. Sepp Becker erinnerte daran und an die Begegnung von Reis mit den Jugendlichen der Gesamtschule, die ihn umstimmten. Seine Witwe hält bis heute Kontakt nach Wassenberg und zur Betty-Reis-Gesamtschule, deren Projektchor die Feierstunde gestern mitgestaltete.

Quelle: RP vom 11.11.2015

GEDENKEN

Geplant: eine Route gegen das Vergessen

Ahornpflanzung: Die pensionierte Didaktische Leiterin der Betty-Reis-Gesamtschule, Barbara Kaiser, war gestern auch bei der Feierstunde. Sie brachte den Schössling des Ahornbaums, der an der Gedenkstätte gepflanzt wurde, 2001 von einem Kanada-Besuch bei Walter Reis mit und pflanzte ihn in ihren Garten. Jetzt freut sie sich über den neuen Standort.

Vorhaben: Erwähnt wurden gestern weitere Gedenkorte in der Stadt, etwa der Jüdische Friedhof, die Stolpersteine oder der (gebrochene) Gedenkstein an Betty Reis in der Gesamtschule, dessen zweite Hälfte in Bergen-Belsen steht. Jetzt erarbeiten der Heimatverein und Jugendliche der Gesamtschule eine "Route gegen das Vergessen" in Wassenberg, und für 2016 ist eine Ausstellung über jüdisches Leben in Wassenberg geplant.


Gedenkstätte und Mahnmal zugleich (Heinsberger Zeitung vom 11.11.2015)

Gedenkstätte erinnert an jüdisches Leben (Wassenberg Aktuell vom 6.12.2015)

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