„Damals feierte man die Gefallenen als Helden, sah die Alliierten als Feinde.
Heute wissen wir, dass die Stadt in Wahrheit befreit wurde.“
Sepp Becker in seiner Eröffnungsrede 28-2-2015
Wassenberg. Die Fotoausstellung "Bilder zum Kriegsende" zeigt Szenen der Jahre 1944/45 in Wassenberg. Der Heimatverein eröffnete mit ihr den Bergfried als Ausstellungsort. Die Fotos stehen für das Ende von Gewalt und für die Befreiung Wassenbergs. Von Jessica Balleer (Rheinische Post vom 2.3.2015)
Der Fotograf steht in den Überresten eines Hauses. Aus vier Blickwinkeln hält er eine Szene der Verwüstung fest: Die Hauptstraße Wassenbergs liegt in Schutt und Asche. Einzelne Mauerreste sind alles, was von den Wohnhäusern am Straßenrand übrig ist. Als die "Operation Grenade" der Alliierten endet, bleibt den Bewohnern der Stadt nur, Ruinen zu beseitigen und die Zeit des Neuaufbaus zu beginnen. Doch was der Fotograf am 28. Februar 1945, einige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Momentaufnahme feindlicher Zerstörung festhalten will, ist aus heutiger Sicht weit mehr: Die Fotos stehen für das Ende von Gewalt und Tod, für die Befreiung Wassenbergs. Dieser Perspektivwechsel zeichnet den Rückblick knapp 70 Jahre später aus und steht im Mittelpunkt der neuen Fotoausstellung "Bilder zum Kriegsende" des Wassenberger Heimatvereins im Bergfried.
Monatelange Recherche haben der Heimatvereinsvorsitzende Sepp Becker und einige Helfer betrieben, um die 30 Ausstellungsfotos vom Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenzutragen. Maßgeblich beteiligt waren daran Bernd Serode und der Niederländer Johann Gielen: "Wir haben Archive durchsucht und ältere Wassenberger besucht. Sie nach alten Fotos und Erinnerungsstücken befragt", sagte Gielen. Dabei herausgekommen ist eine einzigartige Sammlung und Rekonstruktion der Stadtgeschichte in den Jahren 1944/45. Auf hängenden Leinwänden sind die Fotografien im Bergfried ausgestellt. Schwarz auf weiß erzählen sie Bild für Bild von der Realität, die damals in der Stadt herrschte: die St. Georg Basilika, zerstört nach etlichen Flugzeugangriffen, das ausgebrannte Schloss Elsum, die Bunker des Westwalls oder Wassenberger Trümmerfrauen sind darauf abgelichtet. Gleich am Eingang der Ausstellung zieht ein langes, weißes Banner die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher auf sich: Aus dem Buch "Flucht und Krieg" von Karl Lieck sind darauf Originalberichte von Zeitzeugen zu lesen. Es ist die Mischung aus Fotografien und diesen Gedanken, die Menschen vor mehr als sieben Jahrzehnten verfasst haben, die die Fotoausstellung so sehenswert macht. Noch einige Wochen wird sie im Rittersaal des Bergfrieds für Interessierte geöffnet bleiben.
Die 30 fotografischen Arbeiten haben das Leben in den letzten Zügen des Zweiten Weltkriegs eingefangen und damit nachvollziehbar gemacht. Obwohl, oder gerade weil die Interpretation des Betrachters eine andere ist, als früher: "Damals feierte man die Gefallenen als Helden, sah die Alliierten als Feinde. Heute wissen wir, dass die Stadt in Wahrheit befreit wurde", sagte Sepp Becker in seiner Rede, mit der er diese erste Ausstellung im frisch sanierten Bergfried eröffnete. Genau das sagt auch die Bildunterschrift des Fotos von der Hauptstraße aus, auf dem der Fotograf - trotz der Trümmer, die ihn umgaben - auch ein "Fest der Freude" für die Ewigkeit festhielt.
Geschichte zum Anfassen
Ausstellung Neben 30 Fotografien und Spruchbändern vom Ende des Zweiten Weltkriegs sind im Bergfried noch mehr Relikte aus der Vergangenheit ausgestellt. Der Wassenberger Heimatverein zeigt dort unter anderem alte Briefmarken, ein Mutterverdienstkreuz, Lebensmittelmarken, wie "Reichszuckerkarten" und eine "Arbeitsdienstkarte".
Heimatliteratur zum Thema liegt aus, darunter: "Flucht und Heimkehr" von Karl Lieck, "Kriegserlebnisse in der Heimat und in der Fremde" von Helene Sonnenschein oder "Die Chronik des Pastors" der Jahre 1944 bis 1945 von Wilhelm Baer.
Atmosphäre im Bergfried überzeugt die Besucher
Von Jessica Balleer (Rheinische Post vom 2.3.2015)
Gerade groß genug, um sich trotz vieler Besucher in Ruhe den Fotos hingeben zu können. Gleichzeitig mit der angebrachten Schlichtheit beim sensiblen Thema Krieg, bot der Rittersaal im Bergfried den passenden Rahmen für eine gelungene Premierenausstellung.
Auf dünne Leinwände waren die Fotografien gedruckt. Diese wurden an dünnen Seilen befestigt und schienen dabei im Raum zu schweben. Schlicht, aber aussagekräftig hatte der Heimatverein die Ausstellung konzipiert. Vor dem Gemäuer des alten Bergfrieds kamen die Fotos hervorragend zur Geltung.
Allein die Lichttechnik hätte in dem dunklen Raum besser ausgestaltet sein können: zu wenige hellgelbe Lichtkegel fielen von der Deckenkonstruktion auf die Bilder. "Bei der Beleuchtung gibt es noch Potenzial", merkten deshalb einige Besucher an.
Überwiegend positiv war das Feedback, das die Vertreter des Wassenberger Heimatvereins für die Fotoausstellung "Bilder zum Kriegsende" erhielten dennoch: "Eine sehr gut gestaltete Ausstellung, würdevoll präsentiert", schrieb ein Besucher in das ausliegende Gästebuch. Dass die Fotoauswahl dabei eine nahezu lückenlose Geschichte erzählten, dürfte den wenigsten aufgefallen sein. Besucher Markus Morgenweg, der seit Jahren an einem Buch über den "Westwall" und die Kriegsereignisse in Wassenberg schreibt, würdigte dies: "Die Ausstellung bietet einen sehr guten Überblick", sagte Morgenweg lobend. "Jahreszahlen hätte man zu einigen Bildunterschriften aber schreiben sollen." Die fehlenden Daten wolle man noch durch Informationsflyer nachliefern. Diese sollen in der nächsten Zeit erstellt und im Bergfried ausgelegt werden, "damit Ausstellungsbesucher die zeitliche Einordnung auch ohne Führung vornehmen können", erklärte Johann Gielen, der für den Druck der Spruchbänder mitverantwortlich war. Therese Wasch, die ebenfalls zur Ausstellungseröffnung gekommen war, lobte den Mehrwert der Bildersammlung: "Man kennt die Zahlen und Fakten der Geschichte aus den Büchern. Aber hier bekommt man die Emotionen, das geht einem viel näher", sagte die Haupt-Gästeführerin der Stadt.
Der erste Schritt ist gemacht. Erste Ideen für die Nutzung des Bergfrieds, die sich die Stadt bis zuletzt offen gehalten hatte, sind umgesetzt. Festzuhalten ist, dass mit dem Bergfried in Wassenberg ein Ort für Kunst entstanden ist, der, trotz der Schwere der Thematik dieser Ausstellung, bereits durch seine angenehme Atmosphäre überzeugen konnte.
Pressestimmen
Eine Chance, aus der Geschichte zu lernen (Heinsberger Zeitung vom 2.3.2015)
Wassenberg 1945 - Eine Stadt in Trümmern (Rheinische Post vom 13.3.2015)
Die Befreiung Wassenbergs (Wassenberg Aktuell vom 14.6.2015)
Hintergrund
Das Kriegsende in der Region aus amerikanischer Sicht
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs (Wassenberg Aktuell vom 6.12.2015)
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