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Sänger: Karl Lieck

Wassenberg1420

Es war einmal…

Der Graf von Wassenberg überraschte auf seiner Jagd einen halbwüchsigen Burschen, der einen Rehbock in einer Schlinge gefangen hatte. Der Graf fuhr den Wilddieb hart an, aber jener griff im ersten Schreck nach seinem Beil und schleuderte es mit aller Kraft gegen seinen Herrn, der nur um Haaresbreite dem wohl gezielten Wurfe entging und das Beil in den Stamm einer Eiche neben sich fahren sah. Im Nu war der Graf von seinem Pferd und in einen Zweikampf auf Leben und Tod verwickelt, bis er schließlich der Wilddieb überwand und ihn gebunden auf seine Wassenberger Burg bringen ließ.

Wehe aber, wenn ein höriger Mann die Hand erhebt gegen Leib und Leben seines Herrn – er muss sterben. „Ich schwöre es!“ rief der empörte Graf, als er den Burgberg erreichte, „dass dieser Jagdfrevler und Mörder binnen sieben Tagen am Galgen enden wird. Der Galgenberg wird, wenn er hängt, Beispiel genug sein für die anderen, denen es nach dem Leben ihres Herrn gelüstet. Der Bursche wird sogleich in den untersten fensterlosen Kerker des Bergfrieds geworfen.“ 

Nun war der zum Tode Verurteilte der letzte Sohn einer armen Witwe, die in einem kleinen Hause an der Stadtmauer in der Nähe des Roßtores wohnte. Die Frau irrte nach dem Vorfall um die Burg und nahm sich vor, nicht eher nach Hause zu gehen, bis sie ihren Gebieter um Gnade für ihren Sohn angefleht hätte. Sie wartete Stunde um Stunde, Tag um Tag – aber das Burgtor blieb verschlossen. Schon am Ende ihrer Kräfte, erblickte sie endlich im Morgengrauen das sich langsam öffnende Tor, aus dem der Graf mit seinem Jagdgefolge zur Reiherbeize hinausdrängte. Rasch stürzte das totkranke Weib der niedergerasselten Zugbrücke entgegen, drängte sich durch das Jagdgefolge, erreichte den Burghof und warf sich dem Grafen zu Füßen, der gerade auf sein Pferd steigen wollte.

„Edler Herr, habt Erbarmen“, flehte die Mutter. „Hinweg mir dir!“ schrie der Graf, „dass mein Hengst dich nicht zerstampfe!“ Die Mutter aber rührte sich nicht vom Fleck. „Hoher Herr, ich weiche nicht. Mag euer Ross mich zertreten! Gebt mir meinen Sohn frei!“ „Nie und nimmer!“ rief der Graf, „er muss am Galgen sterben, noch ehe sieben Tage vergangen sind.“ „Hört mich an, edler Herr, ich will euch dienen Tag und Nacht. Ich will …“ „Weib, hättest du ihn besser erzogen, so wäre er nicht zum Wilddieb und zum Meuchler geworden.“

„O Herr, dazu trieb ihn sein junges Blut, jähzornig war er alle Zeit, und wenn ich ihn nachsichtig erzog, so geschah es, weil er mein letztes Kind war. Meine Tochter sprang ins Wasser, als einer eurer Knappen sie verließ. Mein Mann und mein ältester Sohn, sie starben kämpfend für euch. Was Böses für uns kam, das kam von eurer Burg.“ „Geh mir aus den Augen …“ „Herr, seid ihr ein Unmensch? Euer Herz kann nicht härter sein als dieser Stein hier.“ 

„Genug Zeit hab‘ ich verschwendet!“ schrie der Graf, „scher dich fort! So wie du diesen Stein, der vor dir liegt, nicht wenden kannst, so wirst du auch weder mein Herz wenden können – noch das Gesetz. Und solltest du es dennoch schaffen, diesen Felsbrocken zu bewegen, werde ich deinen Sohn freilassen.“

Dann gab er seinem Hengst die Sporen und ritt samt seinen Knechten eilends fort. Die Mutter aber sank verzweifelt nieder und kühlte ihr fieberndes Haupt am stummen Stein. Wie lange sie dort lag, betend und weinend, weiß die Sage nicht, nur dass sich plötzlich in ihrem Innersten ein Entschluss regte und sie begann, die Erde unter dem Stein heraus zu kratzen, so dass nach Stunden eine Höhle entstand, groß genug, um einen Menschen aufzunehmen. Zuletzt lockerte sie mit blutigen Händen auch die Erde rings um den Stein, faltete die Hände, flehte zu Gott und der heiligen Jungfrau und stemmte sich, nachdem sie in die Grube unter dem Stein gekrochen war, hart gegen den mächtigen Block. Aber der Stein bewegte sich nicht. Wieder betete sie und wieder versuchte sie es mit letzter Kraft. – Doch immer vergebens. Beim sechsten Male glaubte sie, ein Zittern im Stein zu verspüren, und zugleich stieß ein Schmerz tief in ihr Herz.

Und nun fasste sie alle Kraft zusammen, all ihren Glauben und all ihre Liebe, die ein Mutterherz vergeben kann, stemmte sich gegen den Klotz, und siehe da – wie von einem Wunder gehoben, bewegte sich der Stein und neigte sich auf die andere Seite. Die Mutter aber, von dem schweren Stein tödlich getroffen, brach in einem Aufschrei von Schmerz zusammen. 

Der Graf hielt sein Wort. Noch am selben Tag öffnete er eigenhändig das Tor des finsteren Kerkers und entließ den Burschen in die Freiheit.

(Quelle: Mündliche Überlieferung. Der Text stammt überwiegend aus der Feder von Karl Lieck, Wassenberg.) 

Es war einmal eine Zeit, da lebten gewaltige Riesen auf dieser Erde. Es war die gleiche Zeit, wo riesige Tiere – Dinosaurier – so groß, wie heute Kirchtürme, den Menschen Angst und Schrecken einjagten.

Damals lebten drei Riesen, die besonders groß, kräftig, eben riesig und berühmt waren. 

Zwei kennt man auch heute noch, das waren der Riese Rübezahl, ein menschenfreundlicher Riese, der gute Geist des Riesengebirges. Von ihm hat es seinen Namen.

Und weiter lebte ein Riese in der Gegend von Nazareth, auch ein gewaltiger Riese, der als Fährmann die Menschen über reißende Flüsse trug, der ganze Schiffsladungen über Gewässer transportieren konnte, doch an einem Kinde wäre der Riese fast zerbrochen. Als er einmal dieses Kind auf seinen Schultern durch einen reißenden, wildschäumenden Fluss tragen wollte, wurde das Kind plötzlich so schwer, dass er es kaum noch halten konnte. „Wer bist du, dass du so schwer bist?“ Das Kind, es war der kleine Christus (Jesus von Nazareth), antwortete ihm: „Mit mir trägst du die ganze Welt.“ Daher hat der Riese seinen Namen: Christusträger; auf Griechisch heißt das – damals sprachen viele Menschen griechisch – Christopherus. 

Heute befindet sich fast in jedem Auto ein Amulett mit dem Abbild des Riesen, er soll die Autofahrer schützen.

Und wer war der dritte Riese? Das war der Riese Bowemo. 1) 

Der war zum Fürchten, der war schrecklich, grausam, gewalttätig und daher hat man ihn auch völlig vergessen. Aber das allerschlimmste war, er lebte in unserer Gegend, an Rur und Maas, und machte die Gegend zur unsichersten der ganzen Welt. Viele Menschen flohen vor ihm in die Eifel oder ins benachbarte Limburg.

Er aß nicht wie ein Mensch, er fraß ähnlich wie ein Krokodil. Er stopfte sich zum Frühstück zwei oder drei Schafe in seinen riesigen Mund. Er aß alles roh – wie Gehacktes. Statt Brot zu essen, kniete er vor einem Roggen- oder Weizenfeld und aß die Körner vom Halm, wie es die Kühe tun. 

Mit seinen riesigen Pranken zerteilte er einen Ochsen oder eine Kuh und aß – besser fraß – ganze Teile dieser Tiere wie ein Schnitzel. Er lebte schon an die 100 Jahre und versetzte die armen Leute in Stadt und Land in Angst und Schrecken. So kam er eines Tages auch nach Wassenberg. Er wusste, der Graf von Wassenberg hatte gut genährte Kühe und fette Schweine in seinen Stallungen auf der Burg und das wären Leckerbissen für ihn gewesen. Er stampfte von Ophoven kommend, an Birgelen vorbei in Richtung Burg. 

Oben auf dem Bergfried stand aber zufällig ein Sohn des Grafen, der Ritter Heinrich von Wassenberg. Als er den Riesen kommen sah, dieses Ungetüm, brach ihm der kalte Schweiß aus. Er zitterte wie Espenlaub. Der Riese stand mit seinen großen Füßen noch unten am Burgberg, sein Kopf jedoch reichte bis zur Spitze des Burgturms, wo Ritter Heinrich, blass geworden in die teuflische Fratze des Riesen schaute. Die Augen des Riesen funkelten vor Fressgier, der Speichel tropfte aus seinem Riesenmund. Ha, das würde eine Mahlzeit werden wie lange nicht mehr, so freute er sich.

Ritter Heinrich indes griff in seiner Not nach seinem Schwert: Es war ein „Zwiehänder“, ein langes, rasiermesserscharfes Schwert, das man mit zwei Händen halten musste, um zuschlagen zu können. Damals war ein solches Schwert eine ganz gefährliche Waffe.

Mehr aus Angst angetrieben denn aus Wut, hob er mit gewaltiger Kraft – er war Gott sei Dank sehr stark – seinen „Zwiehänder“ hoch, und schrie noch: „Heiliger Georgius steh mir bei“ und schlug mit aller Kraft in Richtung Kopf des Riesen. Der aber sah das Schwert kommen und versuchte noch auszuweichen. Doch Ritter Heinrich traf den Kopf des Riesen seitlich und hieb ihm das linke Ohr mit seinem gewaltigen Schwertstreich ab.

Das Riesenohr rollte den Burgberg hinab und blieb am Fuße des Berges liegen. Der Riese brüllte vor Schmerz so laut auf, dass man es bis Heinsberg hören konnte. Er hielt seine linke Pranke am blutenden Kopf und stampfte taumelnd vor Schmerzen in Richtung Effeld davon. 

In der Rur wollte er wohl Kühlung suchen. Kurz vor Effeld wurde er jedoch ohnmächtig vor Schmerzen, verlor sein Bewusstsein, wankte und fiel bei Effeld polternd und krachend zu Boden. Als er umfiel bebte die Erde. Doch da, wo er umgefallen war, bildete sich ein See, der Effelder Waldsee. Nun geht mal hin, dann könnt ihr dort sehen und staunen, wie groß der Riese war.

Sein Ohr aber blieb für immer am Burgberg liegen und wurde im Laufe der Jahre zu Stein.

So kann es noch heute bewundert werden und man hat eine Vorstellung davon, wie groß der Riese war.

Ein Glück, dass er gestorben ist, denn wenn er heute noch leben würde – nicht auszudenken.

Hinweis: 1) Bowemo steht für die Anfangsbuchstaben der Orte, die zur Stadt Wassenberg gehören: Birgelen, Ophoven, Wassenberg, Effeld, Myhl, Orsbeck

Der Text stammt aus der Feder von Hanns Heidemanns.

 

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