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Sänger: Karl Lieck

Wassenberg1420

Rede des Vorsitzenden des Heimatvereins Wassenberg, Herrn Sepp Becker, anlässlich des Festaktes zum 120 jährigen Bestehen des Vereins am 4.11.2017

Foto: Hermann-Josef Heinen
Foto: Hermann-Josef Heinen

Sehr geehrte Gäste des Heimatvereins,

Im Programm lesen Sie, dass ich die Geschichte des Heimatvereins darstellen werde. Sie haben gehört: es wird im Zeitraffer geschehen. Wenn Ihnen dies zu kurz ist, verweise ich Sie gerne auf unsere Homepage. Dort finden Sie auch unsere Festschrift und werden ausführlich informiert.
In dieser Rede werde ich nur ganz wenige Namen nennen. Das liegt daran, dass ich eigentlich so viele nennen müsste, dass es den Rahmen sprengen würde.

Im Jahr 1897, also vor 120 Jahren, in der Kaiserzeit, wurde der Heimatverein Wassenberg als „Verschönerungsverein“ von 58 Mitgliedern gegründet. Alle herausragenden Bürger der Stadt waren dabei, jedoch auch sog. „einfache Leute“.

Wie sah Wassenberg zu dieser Zeit aus?
Elektrisches Licht, Autos, Telefon….

1897 beschrieb der Wassenberger Notar und Mitbegründer des Verschönerungsvereins, Wilhelm Weisweiler, die herrliche Natur, die Landschaft, die historischen und die damals neuen Gebäude von Wassenberg – es liest sich wie eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt.

Das Judenbruch war bereits in eine abwechslungsreiche Parklandschaft umgewandelt und zu einem Besuchermagnet für Menschen aus nah und fern geworden.
Mit Nikolaus Beckers, einem Gründungsmitglied des heutigen Heimatvereins, hatte Wassenberg einen jungen, dynamischen Bürgermeister.
Das Marienhaus wurde errichtet und die Vinzentinerinnen nahmen ihre segensreiche Tätigkeit auf.
Krahnen & Gobbers hatten ihr erstes Werk errichtet, das zweite ging 1904 in der Oberstadt in Betrieb. Damit hielt auch in Wassenberg die Frühindustrialisierung Einzug, viele Arbeitsplätze entstanden.

Vorrangiges Anliegen des neu gegründeten Vereins war es, sich um die Verschönerung des Ortes zu kümmern und die Attraktivität Wassenbergs noch zu steigern. 1912 wurden die ersten Wanderwege in Wassenberg und Umgebung bis nach Dalheim markiert. Wassenberg wurde ans Bahnnetz angeschlossen und der Fremdenverkehr erlebte eine Blüte. Bereits in der Kaiserzeit nannte sich Wassenberg Luftkurort und verstand sich als „Perle des Rurtals“.
Auf der Höhe des Waldfriedhofes entstand ein Musikpavillon. Der Verschönerungsverein editierte Ansichtskarten mit Wassenberger Motiven des Malers Jean Grothe, der Mitglied des Vereins war.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden bereits 1921 die Aktivitäten wieder aufgenommen. In den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte Wassenberg sein Image als „Luftkurort“ weiter. Eine Jugendherberge entstand, Wanderwege wurden ausgebaut und beschildert. Der Gondelweiher und das erste Freibad im alten Kreis Heinsberg wurden bereits 1927 eröffnet; vor der Stadtmauer entstanden die Parkanlagen. Der Rosengarten wurde 1935 angelegt. In Alt Holland wurde getanzt, das Kurtheater und die Freilichtbühne sorgten für Zerstreuung und für die sportliche Betätigung entstand eine Tennisanlage.

In den 1930er Jahren durfte die Bezeichnung „Luftkurort“ nur noch geführt werden, wenn dazu eine Genehmigung vorlag. Die Verwaltung und der Verschönerungsverein, „die beide unter einer Leitung stehen“ (HVZ im Dezember 1935), stellten den Antrag, den Titel wieder führen zu dürfen. 1935 wurde diese Genehmigung erteilt.

Der Verkehrs- und Verschönerungsverein – so nannte er sich bereits - arbeitete auch zu Beginn des 2. Weltkriegs beständig weiter. In einer Informationsschrift für Soldaten von 1940 hieß es, es sei „natürlich nicht möglich, heute große Pläne zu verwirklichen. Trotzdem soll aber die Arbeit nicht ruhen: es gilt vor allen Dingen, das Geschaffene zu erhalten und zu pflegen.“
Das gelang nicht: Wassenberg wurde in einem beträchtlichen Maß durch Kriegseinwirkungen zerstört. Auch die meisten Unterlagen des Vereins wurden mit der Zerstörung des Rathauses vernichtet.

Die Menschen kehrten aus der Evakuierung zurück; die alltägliche Sorge galt den Grundbedürfnissen wie Essen, Kleidung und Wohnen. Erst langsam normalisierte sich das gesellschaftliche Leben.
Bereits 1947 war der Verkehrs- und Verschönerungsverein durch Amtsdirektor Friedrich Bell wiederbelebt worden. Auf Friedrich Bell folgte Heinrich Buckmann als Vorsitzender, der auch Bürgermeister von Wassenberg wurde. Es zeigt die Bedeutung des Vereins, dass ihm in dieser schwierigen Nachkriegszeit zunächst der Chef der Verwaltung und dann der Bürgermeister persönlich vorstanden. Die städtebaulichen Schwerpunkte lagen jetzt auf dem Neubau der Brücken über die Bahnlinie und dem Anschluss an den Bahn- und Busverkehr.

Ein neues Aufgabengebiet war die Unterstützung von Kulturveranstaltungen, z.B. wurden Theaterveranstaltungen nach Wassenberg geholt.
Der Verein engagierte sich für die Restauration der Stadtmauer und der Baudenkmäler, er organisierte Wanderungen und zeichnete Wanderwege neu aus.
Die drei nachfolgenden Vorsitzenden, Dr. Jakob Broich, Ludwig Essers und Karl-Heinz Geiser, haben mehr als 50 Jahre lang den Heimatverein gelenkt. Sie haben ihn von einem Verein, der vorwiegend Gelder einsammelte und die Stadt bei ihren Projekten unterstützte
zu einem Verein gemacht, der mit eigenen Projekten, an Mitgliedern orientiert, für Wassenberg arbeitete.
1954 wurde unter der Leitung von Jakob Broich der Vereinsname geändert: Er hieß fortan „Heimat-, Verkehrs- und Verschönerungsverein“.
Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Erforschung der Wassenberger Geschichte.
Seine Liebe zur Heimat wurde ergänzt durch seinen Blick für die Internationalität. In der Entstehungszeit der Heemkundevereiniging Roerstreek setzte sich für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ein, die später von seinen Nachfolgern genauso engagiert fortgesetzt wurde. Unter Beteiligung des Heimatvereins wurde auch der Deutsch-Englische Club gegründet, dessen erster Präsident Jakob Broich wurde.

"Ich liebe unsere kleine Stadt, von der ich gelegentlich gerne sage, dass sie für mich die schönste am Niederrhein ist. Ich liebe das Land an der Rur, und vor allem liebe ich die Menschen, die hier leben". Hinter diesen einfachen, von Herzen kommenden Worten stand die ganze Motivation Ludwig Essers als Vorsitzendem des Heimatvereins von 1970 bis 1990 – und von vielen, die ehrenamtlich im Verein tätig waren und sind.

Essers arbeitete eng mit dem Verein Niederrhein und dem „Naturpark Schwalm-Nette“ zusammen, zu dessen Gründung auf der Burg Wassenberg im Jahre 1965 er und Willi von der Beek maßgeblich beigetragen hatten. Nach der Einbeziehung des niederländischen Grenzbereiches arbeitete er genauso eng mit dem "Naturpark Maas-Schwalm-Nette" zusammen. Es wurden Schutzhütten an markanten Stellen im Wald errichtet, Wanderwegetafeln an den Ausgangspunkten installiert und Parkplätze am Rande der Wandergebiete angelegt.

Zu seinem Wirkungsbereich gehörten u.a. heimat- und geschichtskundliche Vorträge, Exkursionen, Wander- und Kulturfahrten. Zudem war er Mitbegründer und jahrelanger Vorsitzender der „Volkskundlichen Arbeitsgemeinschaft im Kreis Heinsberg“.
In seiner Amtszeit wurde der Vereinsname gekürzt: aus „Heimat-, Verkehrs- und Verschönerungsverein“ wurde der „Heimatverein Wassenberg“.

Auf Ludwig Essers folgte 1990 Karl-Heinz Geiser, der die Arbeit seiner Vorgänger kontinuierlich fortsetzte.

Einen besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit setzte er mit der Anbringung von Schildern, Reliefs und Denkmalen, oft in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen. Die Marktsäule in Zusammenarbeit mit Hanns Heidemanns anlässlich seiner Ehrenbürgerschaft ist eines vielen sichtbaren Zeichen seines Wirkens. Ein weiteres ist weithin sichtbar: in der Advents- und Weihnachtszeit leuchtet auf dem Bergfried ein Tannenbaum aus Stahl.
Neben seinem Einsatz für die Erinnerung an die jüdische Gemeinde Wassenbergs ist sein Engagement für das Kloster Sankt Ludwig in Erinnerung.
All das konnte nur über Spenden finanziert werden. Mehr als 150.000 DM kamen in seiner Amtszeit zusammen. Davon profitierte nicht zuletzt auch der Roßtorplatz, wo Brunnen und Tierfiguren den Platz verschönern.
Karl-Heinz Geiser wurde 2007 Ehrenvorsitzender, als ich den Vorsitz übernahm.

Die Schwerpunkte des Vereins haben sich mit der Zeit verändert, die vielfältigen Aufgaben sind geblieben. Die Verschönerung der Stadt ist seit der Gründung eine wichtige Aufgabe. Heute erfreuen wir uns an der Schönheit der Parkanlagen und der Wälder, an den mit Blumen bewachsenen Kreisverkehren und an den Blumenampeln.
Auch als die Stadt Wassenberg sich beim Wettbewerb „ontont floral“ bewarb, brachte sich der Heimatverein beide Male engagiert ein.
Die Geschichte unserer Stadt bekannt zu machen und bewusst zu halten, ist unserem Verein ein Anliegen. So wurde der historische Altstadtrundweg mit seinen Tafeln und Flyern vom Heimatverein konzipiert. Die enorme Zunahme der Stadtführungen zeigt, dass Wassenberg in den letzten Jahren deutlich attraktiver geworden ist.

In der Stadt werden die Besucher auf die Stadtgeschichte hingewiesen. Denkmale wie der Weber, der Bergmann, die Untertageloks, der Münzer, der Blidenstein, der Kamin im Bergfried und die Tafeln vor und auf dem Bergfried erfüllen diese Aufgabe.
Auf ein dunkleres Kapitel der Stadtgeschichte weist die Gedenkstätte am Standort der ehemaligen jüdischen Synagoge hin, entstanden in Zusammenarbeit der Arbeitsgemeinschaft Jüdisches Leben in Wassenberg mit der Stadt und der Betty-Reis-Gesamtschule.

Heimatliteratur entsteht und wird gefördert, Wassenberg-Kalender werden herausgegeben, kulturhistorische Spaziergänge werden durchgeführt und geschichtliche Vorträge angeboten.
Der Heimatverein unterstützt die Arbeit des Stadt- und des Kirchenarchivs, daneben unterhält er selbst ein umfangreiches Heimatarchiv. Archive sind das Langzeitgedächtnis einer Stadt, und der Heimatverein versteht sich als zuständig für die Erinnerung. Er gestaltet daher auch mit der Stadt den jährlichen „Tag des offenen Denkmals“.

Der Bergfried ist ein Besuchermagnet für Menschen von nah und fern. Unser Verein fühlt sich für die Betreuung der Besucher besonders verantwortlich, er organisiert darüber hinaus mit seinem Arbeitskreis Geschichte regelmäßig Ausstellungen. In Vitrinen werden archäologische Fundstücke aus Wassenberg gezeigt, und auch das erste Kaminkonzert erfreute sich großen Zuspruchs.

Mit Unterstützung des Heimatvereins wurde das Leo-Küppers-Haus eingerichtet. Es informiert über den bedeutendsten Wassenberger Maler (1880-1946). Ein Teil seiner Werke ist dort ausgestellt.

Zu unserer Heimat gehört auch unsere wunderschöne Landschaft und Natur. Die monatlichen Wanderungen und die Radwanderungen im Sommer lassen die Teilnehmer dies erleben. Grünkohl und Glühwein sowie der Nikolaus sind Anlässe für besondere Wanderungen. Cafes in der weiteren Umgebung freuen sich seit 25 Jahren über unsere Radwanderer.
Seit mehr als 50 Jahren findet jährlich am 1. Mai eine gut besuchte vogelkundliche Wanderung statt, die von Willi von der Beek begründet und von seinen Kindern fortgeführt wird.
Inzwischen kann man an vielen Bäumen im Judenbruch und in den Parkanlagen wieder ihre Bezeichnungen finden, dem Arbeitskreis Baumbeschilderung sei Dank.
Ein weiterer fester Höhepunkt des Programms ist der jährlich stattfindende Plattdütsch-Oavend. Unserer Mundart fühlen wir uns sehr verbunden. So fand der regionale Mundartabend in diesem Jahr in Wassenberg statt.
Kulturelle Fahrten und auch Wanderfahrten sind seit Jahrzehnten Bestandteil des Programms des Heimatvereins.

Durch all seine Aktivitäten möchte der Verein die Verbundenheit der Menschen mit Wassenberg und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Damit setzt er in unserer schnelllebigen Zeit, die auf Mobilität setzt, ein Zeichen für den Faktor Heimat und gibt der Sehnsucht der Menschen nach Stabilität ein Zuhause. Dabei hat er nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen im Blick, wie die zahlreichen Stadtführungen für Kindergärten und Schulen belegen.

Bei der Gründung des Vereins war nicht der Gedanke: „Was kann die Stadt für mich/für uns tun?“, sondern es ging um die Frage: „Was können wir, was kann ich für die Stadt tun, damit sie schöner und attraktiver wird?“ Dies ist heute noch die Grundsatzfrage des Heimatvereins.

Wir freuen uns über die Akzeptanz unseres Vereins – mehr als 500 Mitglieder, das ist eine stolze Zahl.
Vielen Dank!

Geschäfts-, Fahrten- und Spendenkonto des Heimatvereins Wassenberg e.V.:  
Kreissparkasse Heinsberg ● IBAN DE03 3125 1220 0002 2043 60 ●  BIC WELADED1ERK