Wir gehen nicht durch, sondern „über“ das Birgelener Tor und betreten die Roermonder Straße. Im Haus Roermonder Straße 5 (Modegeschäft „mode + mehr“) wurde im Jahr 1880 der Wassenberger Kunstmaler Leo Küppers geboren, der in Düsseldorf wirkte und 1946 dort starb. Der Dank Bergschäden erforderlich gewordene Abriss mehrerer kleinstädtischer schöner Geschäftshäuser ermöglicht dem Betrachter einen Blick auf die Hofkirche. Man sieht deutlich, dass sie in einem Hinterhof errichtet wurde, daher der Name „Hof“-Kirche. Die evangelischen Christen durften nach dem 30-jährigen Krieg aufgrund des Friedensvertrages von 1648 Predigthäuser - ausdrücklich nur in Hinterhöfen gelegen – errichten. 1652 entstand dieses alte Predigthaus. Auf dem Dachreiter befindet sich der Geusendaniel, der mit seiner Trompete Stadt und Land ständig in Augenschein nimmt.
Gehen wir weiter, so entdecken wir den Eingang der Hofkirche sehr versteckt im Geschäftshaus von Photographie Nadine Jütten. Eine Tafel am Eingang gibt Hinweise. Gegenüber dem Eingang gelangen wir über die ehemalige Löffelstraße auf den Roßtorplatz. In der Löffelstraße befand sich früher die „Münze“. Dank des Stadtrechts durften die Wassenberger ihr eigenes Geld prägen. Wie aus dem Rathaus augenzwinkernd zu vernehmen ist, bemüht man sich heute um die Wiedereinführung dieses alten Rechtsgutes. Beim Herstellen der Münzen wurde flüssiges Metall in Formen gegossen. Dazu war ein bestimmter Löffel erforderlich. Ohne diesen Löffel konnte kein Geld hergestellt werden. Infolge der Bedeutung des Geldgießerlöffels erhielt die kleine Straße ihren Namen. Teile des alten Straßenzuges wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Wir befinden uns jetzt auf dem Roßtorplatz, dem Kommunikationsplatz Wassenbergs. Das Roßtor ist das einzig erhaltene Stadttor von ehemals drei Toren. Man sieht deutlich unterschiedliche Baumaterialien – in der unteren Hälfte Natursteine, im oberen Teil Feldbrandsteine. Der untere Teil stammt aus Festungsanlagen, die vor 1365 errichtet wurden.
Der Heinsberger Pfandherr 1365 die Wassenberger Festung schleifen. Der Herzog von Brabant veranlasste die Heinsberger zum Wiederaufbau. Um 1420 wurden die Stadtmauern, die Tore, der heute noch erhaltene Bergfried und der Kirchturm errichtet. Da nicht ausreichend Natursteine für den Wiederaufbau zur Verfügung standen, wurden in Wassenberg Feldbrandsteine in großer Zahl hergestellt. Der Name Roßtor stammt von einer Rossmühle, die sich innerhalb der Stadtmauer in der Nähe des Roßtores befand. Wind- und Wassermühlen zur Gewinnung von Mehl und Öl befanden sich – naturbedingt – außerhalb der Stadtmauern. In Notzeiten, bei Belagerungen, konnten diese Mühlen nicht genutzt werden, so wurde eine Art Notmühle, die von Rössern „gedreht“ wurde, betrieben. Dem Roßtor gegenüber sehen wir die Rückfront des ehemaligen Rathauses. 1753 wurde ein erstes Rathaus auf der Grundfläche des ehemaligen Amtshauses erbaut. Das Rathaus wurde im Krieg zerstört, nach dem Krieg wieder aufgebaut und diente bis 1987 seiner ursprünglichen Funktion. Vor dem Rathaus steht die Marktsäule mit Stadtwappen, wiedererrichtet 2003, als Symbol des mittelalterlichen Marktrechts.
Wir betreten die Graf-Gerhard-Straße, benannt nach dem Gründer Wassenbergs. Auf der linken Seite finden wir ein großbürgerliches Wohnhaus mit Freitreppe, das „Forckenbeck-Haus“. Oskar von Forckenbeck heiratete Maria, die Tochter des Bürgermeisters Packenius, gestaltete das Judenbruch zum Park, machte Weltreisen, sammelte auf diesen Reisen Zeitungen und begründete das älteste Zeitungsmuseum der Welt in Aachen. Er starb, 76 Jahre alt, 1898 in Wassenberg. Eine Erinnerungstafel erinnert an sein Wirken. Daneben in der ehemaligen Metzgerei Basten befand sich jahrhundertelang ein Gasthaus, „het Jaastes“, gegründet 1317 als „Hospital des heiligen Nikolaus“, diente es zunächst zur Aufnahme von Siechen und Kranken. Später wurde es bis 1936 als Armenhaus genutzt. Das Gasthaus gab dem früher hier vorbeifließenden Gasthausbach seinen Namen. Vor diesem Hause ermordete 1355 Vogt Adam von Morshoven den Gasthausmeister und lieferte damit die Vorlage zu der Sage des „Drüjen“. Gegenüber dem Forckenbeck-Haus finden wir das älteste Wassenberger Backsteinhaus, erbaut um 1400. Im heutigen Café Post befand sich die frühere Pferdepoststation. Hier nehmen wir einstweilen Platz, stärken uns und werden von hier aus den Rundgang fortsetzen.